"Farewell to the West now, our minds are open to the East, to all the new faces, new minds and things to see.
We are alone here, and our hearts at times they weep. But you will see us through the colours, as the sun sinks in the sea."
- Xavier Rudd

Samstag, 4. Februar 2012

The Life of a Tribal Family

 

Tribals oder auch Adivasi (“erste Siedler”) sind sogenannte Stammesvölker in Indien und machen ca. 7% der Bevölkerung aus. Heute werden sie nur noch als “backward tribes” bezeichnet und gehören zur ärmsten Bevölkerungsgruppe Indiens. Viele davon leben unter spartanischen Bedingungen in ihren selbst erbauten Dörfern und arbeiten im landwirtschaftlichen Bereich meist von der Hand in den Mund.

Da JKS sich sehr intensiv mit dieser Minderheit beschäftigt, haben wir die letzten Tage damit verbracht, das Leben der Menschen im Dorf Mellikavalasa kennenzulernen, zu begleiten und für einen Film mit der Kamera zu dokumentieren.

Ursprünglich kommen die Einwohner Mellikavalasas aus Orissa, einem nördlich angrenzenden Nachbarstaat Andhras. Da sie dort aber kein Land besaßen, wanderten sie nach und nach aus, um sich hier, wo sie von der Regierung zwischen bewaldeten Bergen, Seen und Reisfeldern ein wenig Land erhalten haben, ein kleines Dorf aufzubauen. Mittlerweile leben dort 115 Mensch mit ihren ca. 60 Kühen und Schafen und einigen Hühnern.

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In der Zeit, in der wir bei ihnen waren, haben sie uns an ihrem alltäglichen Leben – vom Aufstehen bis zum zu Bett gehen – teilhaben lassen und es hat sich eine für uns völlig neue Welt erschlossen, die wir auch euch ein wenig veranschaulichen wollen. Deshalb geht es in diesem Blogeintrag auch nicht um uns und unseren Alltag, sondern um Sumbriamma und das Leben in ihrem Dorf. IMG_8906

Sumbriamma ist Ende 20. Ein genaues Alter kann sie uns nicht nennen, da Geburtstage und Alter bei ihnen eigentlich keine Rolle spielen. Sie lebt zusammen mit ihrem Mann, Bheemayya, ihrer Schwiegermutter, Neesomma, und ihren beiden kleinen Söhnen, Sudheer und Krishna, in einer der Hütten, die die kurze befestigte Straße des Dorfes säumen und die aus einem Aufenthaltsraum mit Pritschen und einigen Schränken, einer 1,5 m² großen Kochstelle und einem kleinen Anbau für ihre Ziegen und Hühner besteht. Mit 15 wurde sie verheiratet und ist seither Teil des Stammes, dem die Familie ihres Mannes angehört. Gerade erwartet sie ihr drittes Kind – sie ist im achten Monat schwanger.

 

Es ist fünf Uhr morgens und stockdunkel. Grillen zirpen und im Dorf ist, bis auf einige Hunde, die sich gegenseitig anknurren und um die Häuser schleichen, niemand unterwegs. Die Kühe stehen oder liegen noch in ihren Ställen, gleichmäßiges Kauen und das Rascheln von Stroh ist von dort zu hören. Sumbriamma steht leise von ihrer Pritsche, die sie mit ihrem Mann und einem ihrer Söhne teilt, auf und begibt sich in die “Küche”. Sie macht die einzelne Glühbirne an, die zwischen ein Paar Körben an der Wand hängt, und beginnt, einige trockene Äste zu zerbrechen und mit einer Gaslampe ein Feuer in der Kochstelle zu entfachen. Darauf bereitet sie anschließend das Frühstück und das Mittagessen, bestehend aus Reis und einer wässrigen Soße, für ihre Familie vor. In der Hocke kauert sie vor dem Feuer, rührt gelegentlich in einem der Töpfe und wartet, eingehüllt in dessen Qualm.

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Auch der Rest der Familie wacht nun langsam auf. Beemayya wickelt sich in eine Decke ein und gesellt sich zu einigen anderen Männern nach draußen um ein kleines Feuer. Es läuft indische Filmmusik aus einem der 15 Handys des Dorfes, noch verschlafen und leise unterhalten sich die Männer.

Langsam wird es heller, gerade rechtzeitig zum Stromausfall um sechs Uhr, der ab jetzt noch fünf Stunden anhalten soll. Sumbriamma läuft, einen Neemzweig zum Zähneputzen kauend, mit den dreckigen Schüsseln und Töpfen an einen kleine Brunnen gleich hinter den Kuhställen. Dort wäscht sie jene aus und füllt einen davon mit Wasser. Der Brunnen ist die einzige Wasserquelle des Dorfes und so bewegen sich zwischen ihm und den Häusern stets einige Frauen mit großen Schüsseln voller Wasser auf dem Kopf hin und her.

Mittlerweile ist es komplett hell und alle Dorfbewohner sind auf den Beinen. Einige kehren, andere sitzen vor ihren Häusern und entlausen sich, Männer duschen am Brunnen. Die Hühner, die nachts unter einem Korb in der Küche eingesperrt sind, rennen gackernd zwischen den Menschen herum und picken Essensreste auf.

Nachdem die Kinder mit Essen versorgt sind, greift sich Sumbriamma eine Axt, die sie zunächst an einem Stein schleift. Auch ihr Mann und ihr älterer Sohn, Sudheer, schultern ihre Äxte und zu viert macht sich die Familie auf den Weg auf einen der nahegelegenen Hügel, um Feuerholz zu schlagen.

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Zwei Stunden lang sind sie damit beschäftigt kleinere Bäume zu fällen, deren Äste abzuschlagen und alles zu stapeln – das Holz werden sie einige Tage später, wenn es getrocknet ist, von dem Berg heruntertragen. Auch Krishna, ihr kleiner Sohn, wuselt gelegentlich mit einer Axt zwischen seinen Eltern herum und versucht sich am Gestrüpp.

IMG_8308Zurück im Dorf macht sich Sumbriamma daran, Chili, Dal und Nüsse zum Trocknen in der Mittagssonne auf der Straße zu verteilen. Mit der Hand bricht sie die Stengel von den Chilischoten, sortiert das Dal und befreit die Nüsse von ihrer Schale.

Während sie sich anschließend zu den anderen Frauen IMG_8327gesellt, die um diese Uhrzeit auf der Straße zusammensitzen, macht sich Bheemayya auf den Weg, einen Teil des Viehs zum Weiden herauszutreiben. Langsam trottet die Tierherde davon und lässt die dreckigen Ställe und Anbindestellen zurück.    

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IMG_8709Im Dorf ist es jetzt ruhig. Alte Frauen schlafen vor ihren Häusern, die Kinder spielen irgendwo auf den Feldern und die Männer sind zu verschiedenen Arbeiten aufgebrochen, die sie von der Regierung oder privaten Landbesitzern bekommen – Felder bestellen, beim Hausbau helfen oder Dämme von Schlamm und Erde befreien. Auch Sumbriamma und ihre Familie machen diese Arbeiten gelegentlich zusammen mit den anderen Bewohnern, doch heute ist sie im Dorf geblieben, wo sie sich auf den Weg macht ihren kleinen Sohn Krishna in einem Eimer am Brunnen zu baden, bevor sie mit den anderen Frauen und einem Stück Seife an den nahegelegenen Fluss aufbricht, um sich selbst und ihre Kleidung zu waschen. Zusammen stehen sie im knöcheltiefen Wasser des Flusses und unterhalten sich, schlagen ihre Saris auf die größeren Steine und gießen sich hin und wieder auch ein bisschen Wasser über den Kopf. 

Währenddessen macht sich Neesomma, ihre Schwiegermutter, daran, die leeren Kuhställe zu kehren und den Mist mit der Hand in einem Korb zu sammeln, den sie dann zum Trocknen auf ein Feld hinter dem Dorf bringt. Aus dem getrockneten Kuhdung wird in einigen Wochen dann Dünger hergestellt, der sowohl für die eigenen Felder als auch zum Verkauf genutzt wird.

So vergeht der Tag langsam. Gegen fünf Uhr kommt Bheemayya mit dem Vieh und die anderen Männer mit ihren Schaufeln und Äxten von deren Arbeit zurück. Das kleine Dorf füllt sich innerhalb einiger Minuten wieder, so dass kurz vor Einbruch der Dunkelheit ein geschäftiges Treiben auf der kleine Dorfstraße herrscht. Die Frauen scheuchen ihre Hühner ins Haus, es wird gekehrt, einige Männer versammeln sich und diskutieren, hören  Musik oder rauchen.

Am Abend wird hier und da ein Feuer entfacht, die Familien ziehen sich langsam in ihre Häuser zurück, Essen, sitzen beisammen, breiten schließlich irgendwann ihre Pritschen aus und legen sich schlafen - und so endet der Tag, wie er begonnen hat: mit dem Zirpen von Grillen und dem ansonsten schlafenden Dorf.

1 Kommentar:

  1. Ein phantastischer Bericht, gut beobachtet und mit Wärme erzählt. Kompliment!! Überprüft noch mal die Zahlen am Anfang!

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