"Farewell to the West now, our minds are open to the East, to all the new faces, new minds and things to see.
We are alone here, and our hearts at times they weep. But you will see us through the colours, as the sun sinks in the sea."
- Xavier Rudd

Samstag, 31. Dezember 2011

Zwei Geburtstage und Weihnachten in Bangalore

 

Der Dezember ist für uns ein Monat voller Feiern: Erst haben wir Geburtstag (Lena am 02. und Annik am 20.)  und dann ist auch noch Weihnachten. Deshalb war es auch dieser Monat, der so völlig anders verlaufen ist, als wir es aus Deutschland gewohnt sind und außerdem wie im Flug verging:

 

Geburtstage

Schon unseren ganzen Aufenthalt über haben wir uns auf unsere Geburtstage gefreut und waren gespannt darauf sie dieses Jahr einmal anders, nämlich indisch, zu feiern.

Unsere Organisation hat uns jeweils eine farbenfrohe, schöne kleine Feier organisiert, an der wir euch hier nochmal teilhaben lassen wollen:

Nachdem wir von unseren Mentorinnen in unsere Geburtstagssaris gewickelt worden sind, ging es in das Büro der Organisation, das über unserer Wohnung liegt.

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Auf dem Weg dorthin gab es schon einige dezente Hinweise auf eine Party!

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Und "Peng", beim Betreten des Office standen schon alle Organisationsmitglieder bereit, um mit uns zu feiern und gleich mehrere Konfettibomben wurden über uns platzen gelassen. Die Wände waren mit Luftschlangen, Bildern und Luftballons behängt und aus einem Lautsprecher schallten Geburtstaglieder. Ganz hinten im Raum wartete außerdem schon eine schöne, bunte Torte mit einer der indischen Geburtstagskerzen. Diese haben die Form einer Lotusblume und fangen an “Happy Birthday” zu singen, wenn man sie anzündet (womit sie auch den ganzen Abend nicht mehr aufhören:)

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Nachdem die singende Kerzenblume dann ausgebrannt war, wurde das Geburtstagskind, wie es in Indien Brauch ist, von allen seinen Gästen mit Torte gefüttert oder auch wahlweise mit deren Zuckerguss beschmiert. Außerdem bekam natürlich jeder Gast ein Stückchen...tja, und die Torte war erst der Anfang von einer Reihe Leckereien, die dann nach und nach verteilt und verspeist wurden.

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So vollgegessen und zufrieden ging es dann vom Office aus mit der restlichen Torte und einigen Süßigkeiten weiter zu den Nachbarn, denn auch das ist ein indischer Brauch: Am Geburtstag besucht man alle Leute, die man kennt, um ihnen Torte und Süßigkeiten vorbeizubringen (das haben wir aber nicht erst an unserem eigenen Geburtstag gelernt, sondern schon davor, als irgendwann fremde Menschen vor unserer Tür standen und uns Teller voll Süßigkeiten überreicht haben...).

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Nach netten Gesprächen und dem ein oder anderen Chai bei den Nachbarn neigten sich unsere ganz besonderen Geburtstage dann auch dem Ende zu. Wir werden sie sicherlich niemals vergessen:) 

 

Weihnachten

Nach unseren Geburtstagen stand dann auch schon Weihnachten vor der Tür und damit eine Reise in ein Indien, das sich so völlig von dem unterschied, was wir bisher davon kennengelernt hatten.

Nachdem wir den Mitgliedern unserer Organisation zumindest den Geschmack von Weihnachten mit Hilfe von Lebkuchen, Spekulatius und Baumkuchen ein bisschen näher gebracht hatten, machten wir uns am Morgen des 22. Dezember auf den Weg nach Bangalore, der drittgrößten Stadt Indiens, in der wir uns mit Ronja und Johanna von REAL und Lena und Mona von NMCT trafen.

Nach schlappen 24 Stunden Zugfahrt kamen wir ein bisschen müde aber auch gespannt und voller Vorfreude in Bangalore an. Nachdem wir gleich bei unserer ersten Fahrt von einem Rikschafahrer abgezockt wurden, erreichten wir das Hotel, in dem wir von den Angestellten herzlich mit einem “Ihr müsst Annik und Lena sein, die anderen warten schon auf euch”, empfangen wurden.

Und dann ging es los, unser indisches Großstadt- und Weihnachtsabenteuer:

Wir verbrachten unsere Tage damit, durch die Innenstadt Bangalores zu schlendern. Die vielen Läden und Shoppingmalls ließen unsere Herzen höher schlagen: Neben den typisch indischen Schmuckläden gab es hier Jeans, T-Shirts und Dinge, die man eben bei uns in Deutschland so kaufen kann, und es war ein schönes Gefühl mal wieder ohne Schal und in “westlichen” Sachen rumlaufen zu können. Wir shoppten was das Zeug hielt, genossen Pizza, Schokotorte und McDonalds (allerdings nur mit Chickenburgern) und waren erstaunt darüber, plötzlich einwandfrei mit Englisch kommunizieren zu können. Zeitweise hatten wir das Gefühl, gar nicht mehr in Indien zu sein.

Der viele Müll auf den Straßen, die ein oder andere Kuh, der wir auch hier begegneten, der chaotische Verkehr und vor allem unsere Fortbewegung mit den typisch indischen Autorikschas, erinnerten uns dann aber doch ständig daran!

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Vor allem bei den Rikschafahrten amüsierten wir uns meistens prächtig. Wir konnten an den Fahrern nicht nur unser Verhandlungsgeschick erproben, sondern staunten auch über ihre Improvisationsfähigkeiten. Einem unserer Fahrer ging nämlich auf halber Strecke das Benzin aus. Da weit und breit keine Tankstelle in Sicht war, streckte der Fahrer der zweiten Rikscha kurzerhand sein Bein aus der Tür und schob uns einfach bis zu unserem Ziel. 

Mehr oder weniger gut erreichten wir also neben den vielen Shoppingmalls so auch die ein oder andere Sehenswürdigkeit. Wir besuchten das Fort von Bangalore, den Tipu Sultan’s Palace (wo wir als Ausländer den 20fachen Preis (!) von dem zahlten, was die Inder als Eintritt bezahlen) und den Bangalore Palace.

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Bis dahin klingt unser Ausflug jetzt allerdings noch kein bisschen weihnachtlich. Wir müssen auch zugeben, dass sich unsere weihnachtlichen Gefühle angesichts der Tatsache, dass es hier warm und sonnig und nicht so schön winterlich kalt, dunkel und gemütlich wie in Deutschland ist, in Grenzen hielten. 

Trotzdem haben wir natürlich am 24.12. gefeiert:

In Bangalore gibt es einen riesigen botanischen Garten. In Mitten von Großstadtgewimmel ist er eine kleine Oase mit Affen, Seen und gigantischen Grünflächen. Da für uns zu Weihnachten einfach ein schöner Weihnachtsbaum gehört, machten wir uns also auf den Weg dorthin, in der Hoffnung ein passendes Exemplar zu finden, das wir mit unserem mitgebrachten Weihnachtsschmuck verzieren könnten.

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Und wie es der Zufall so wollte, fanden wir einen Baum, der sich dann für die nächsten Stunden geschmückt mit Weihnachtssternen, Kerzen und einem Nikolaus zum Zentrum unserer kleinen Feier verwandelte. Wir saßen um ihn herum, wichtelten, aßen mitgebrachte Snacks und Lebkuchen und hörten Weihnachtslieder aus dem Handy oder verwirrten die Inder mit unserem eigenen, herzzerreißenden Gesang (“Oh Tannenbaum”).

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Auch wenn es kein bisschen besinnlich war und ganz anders, als zu Hause, haben wir es doch sehr genossen und hatten eine wundervolle Zeit! 

Wir hoffen auch ihr hattet ein schönes Weihnachtsfest und wünschen euch jetzt einen guten Rutsch ins neue Jahr und alles Gute für 2012!

Lena und Annik

Montag, 12. Dezember 2011

Eine indische Hochzeit

Die Sterne stehen gut, es ist Hochzeitssaison in Indien. Und auch wir waren dabei, auf einer der bunten, quirligen Feiern, die für die Inder eines der wichtigsten Ereignisse ihres Lebens sein soll.

Früh morgens stehen wir auf, machen uns fertig und packen unsere Sachen. Die Hochzeit soll spät abends – so wurde es von einem Priester anhand der Sternzeichen des Brautpaares bestimmt – im Dorf unserer Mentorin stattfinden. Vorher sind wir noch zum Hochzeitslunch eingeladen, das ist alles, was wir wissen.

Um die Mittagszeit gehen wir also in den örtlichen Tempel, eine große und verwinkelte Anlage. Dort begegnen wir bereits kurz dem Brautpaar, das sich schüchtern am kleinen Finger hält und gute Wünsche entgegennimmt – ihre Hochzeit ist arrangiert und sie kennen sich jetzt seit drei Monaten. Die Braut ist bereits reich geschmückt, trägt ein auffälliges gelbes Gewand und hat das für Indien typische Braut-Mehendi (Henna) an den Händen. Auch ihr Zukünftiger hat lackierte Nägel und ein traditionelles Mehendi auf den Händen, sein Outfit ist allerdings noch sehr leger und lässt nicht vermuten, dass er heute seinen großen Tag hat– er trägt eine Patchwork Hose und ein Holzfällerhemd.



Wir gehen in einen Innenhof des Tempels, wo es das Essen geben soll und erschrecken kurz. Es ist dreckig, streunende Hunde kämpfen um Essensreste und es sieht alles andere als festlich aus. Auch die Halle, in die wir dann kommen schockt uns. Keine Dekoration, keine Farben, kein festliches Buffet anstatt dessen: Lehmboden, dreckige Wände, abgegessene Teller auf dem Boden und dazwischen ebenfalls immer wieder Hunde auf der Suche nach herumliegendem Essen. Die Leute stehen zum Essen oder sitzen auf dem nackten Boden. Einzig am Ende der Halle und am Eingang sind Tische aufgebaut. Auf einem davon stehen große Töpfe mit Essen, das man auf Metallteller aufgetan bekommt. Am anderen werden Spenden an das Brautpaar eingesammelt und fein säuberlich dokumentiert.





Das Essen ist dann aber trotzdem sehr gut und nachdem wir uns ein bisschen an die außergewöhnliche Kulisse gewöhnt haben, können wir es auch richtig genießen.

Mittlerweile ist es Nachmittag und wir haben bis zur nächsten Zeremonie am frühen Abend ein wenig Zeit die Anlage zu besichtigen und uns auszuruhen. Wir laufen hinunter zu einem Staudamm, vorbei an Palmen und bunt bemalten Tempelgebäuden. Die Sonne scheint und wir genießen die Zeit mit der Familie unserer Mentorin.

Ein kleiner Teil der Tempelanlage


Ein Teil der Familie unserer Mentorin Uma...

Eine Durga Statue am Damm in der Nähe des Tempels



Nach dieser kurzen Pause kehren wir in die Tempelanlage zurück. Es ist bereits dunkel und wir folgen den Stimmen, die uns zu einem kleinen Gebäude führen. Der Vorhof ist überdacht, dort sitzen zwischen 75 und 100 Menschen in bunten Gewändern und auffälligem Schmuck und schauen in die Mitte, wo das Brautpaar und dessen Eltern auf dem Boden sitzen und verschiedene Rituale durchführen, die wir nicht verstehen und die uns auch niemand erklären kann – „It’s tradition“.

Das Einzige, was wir herausfinden ist, dass dies nicht die eigentliche Hochzeit ist, sondern hier nur der Bräutigam verschiedene Geschenke erhält, nachdem er und die Braut eine Art „Versteckspiel“ gespielt haben, in dessen Verlauf die Braut ihren Zukünftigen suchen muss.
Die Braut ist mittlerweile noch reicher geschmückt, trägt schwere Goldketten, zahlreiche Armreife und einen neuen festlichen Sari in rot und blau. Und auch er ist mittlerweile festlich gekleidet, in einem von oben bis unten verzierten, hellblauen Oberteil.

Die Hand- und Fußbemalung des Bräutigams
Wir gehen nach vorne in die Nähe des Eingangs zum Tempel, wo wir uns hinsetzen und uns freuen, dass wir so einen guten Blick auf das Geschehen haben:
Vor den beiden liegen Räucherstäbchen, Bananen, Reis, Kleidung, Süßigkeiten und rote und gelbe Pulver. Abwechselnd streuen sie das Pulver auf die Bananen, füttern sich mit Süßigkeiten oder überreichen sich Schmuck. Direkt neben Ihnen sitzt ein Priester und singt oder gibt den Beiden Anweisungen.



Aber er ist nicht der Einzige, der auf sie einredet. Vor ihnen stehen drei Männer. Einer davon hält einen Scheinwerfer, ein anderer eine Kamera und der dritte einen Foto. Auch von Ihnen bekommen sie immer wieder gesagt, was sie zu tun haben.
Die Fotographen (die fast mehr zu sagen hatten, als der Priester)
Allgemein ist die Stimmung zwar sehr fröhlich und ausgelassen, aber es scheint, dass die Zuschauer nicht wirklich auf das Geschehen konzentriert sind. Sie schauen sich um, reden miteinander oder stehen einfach auf. Als am Rand des Platzes Geschenke ausgeteilt werden springen alle auf und drängen sich um die Säcke, um auch etwas zu ergattern. Die Einzigen, die bis am Ende im Schneidersitz auf dem Boden sitzen, sind die Braut und der Bräutigam.
Dort hinten in der Ecke wurden Geschenke verteilt. Da hat sich dann wirklich gar niemand mehr für die Zeremonie interessiert!



Nachdem auch sie aufgestanden sind gibt es erneut Essen in der großen, nackten Halle, die wir schon vom Mittagessen kennen. Anschließend bleibt wenig Zeit, wir müssen uns für die eigentliche Hochzeitszeremonie umziehen, die kurz darauf beginnt.

Als wir in unseren Saris zurück zum Tempel kommen, sind wir erneut erstaunt. Das Brautpaar sitzt mal wieder auf dem Boden unter einem mit Blumen und Donald Duck Handtuch verzierten Pavillon, vor ihnen genau die gleichen Utensilien, wie zuvor. Die Menschen um sie herum stehen, sitzen oder liegen auf dem Boden, reden oder schlafen. Einzig die drei Männer mit den Kameras und die zwei Priester widmen sich immer noch mit voller Konzentration den Beiden, wie sie Pulver mahlen,  dieses streuen und sich gegenseitig Reis überschütten. Am Ende bekommt die Braut von der Schwester des Bräutigams Fußringe, die hier nur verheiratete Frauen tragen, angesteckt und die frisch Verheirateten berühren sich gegenseitig mit den Füßen.

Die Beiden "Priester"





Damit ist die Hochzeit beendet und die Gesellschaft verteilt sich langsam in die warme Nacht. Auch wir machen uns auf den Heimweg und müssen immer noch schmunzeln über diese fröhliche, farbenfrohe, chaotische Hochzeit, die wie fast alles in Indien, ganz anders war, als wir sie uns vorgestellt haben.
Damit wünschen wir Euch jetzt viele warme, sonnige, bunte und chaotische - oder kurz: indische - Grüße ins kalte Deutschland.

Lena und Annik

Sonntag, 4. Dezember 2011

Der ganze November in ein paar Zeilen


Nun ist schon der Dezember ins Land gezogen, ohne dass wir im November etwas von uns haben hören lassen. Das liegt nicht daran, dass wir nichts erlebt haben - ganz im Gegenteil: Wir waren ganze zwei Wochen gar nicht zu Hause in Parvathipuram. Es stand nämlich unser Midterm-Workshop im KKID auf dem Plan. Im Anschluss besuchten wir dann auch noch im Rahmen des Interproject-Visits Lena und Mona von NMCT, um etwas über die Arbeitsfelder ihrer NGO zu erfahren. Die 30-Stundenfahrt nach Coimbatore sollte sich also so richtig lohnen und wir bekamen sogar unfreiwillig zwei Tage verlängerten Aufenthalt bei NMCT. Aber alles schön der Reihe nach.


Englisch in den Dorfschulen

Nachdem wir im Oktober Einblicke in die unterschiedlichen Arbeitsfelder unserer Organisation erhalten hatten, begannen wir in den ersten zwei Novemberwochen damit, regelmäßig in die Dorfschulen in der Tribalarea um Parvathipuram zu fahren, um dort Englisch zu unterrichten.
Vorerst hatten wir uns drei Dorfschulen ausgesucht, die wir mit Lalitha und Satya, die als Lehrer für die jüngeren Schüler des 1st bis 2nd  Standards mitkamen, von Dienstag bis Samstag aufsuchten.

Bis zur Mittagspause unterrichten wir dort Englisch, nachmittags wird es dann kreativer - wir basteln oder malen mit den Kindern, und zwar nicht nur, um den kahlen Klassenräumen ein wenig Farbe zu verpassen. Wir merken nämlich, dass das eigenständige Malen für einige der Kleinen etwas ganz Neues ist. Dies liegt daran, dass es teilweise an Unterrichtsmaterial mangelt, andererseits wird auf kreatives Arbeiten einfach nicht so viel wert gelegt.

Auf jeden Fall macht uns die Arbeit mit den Kindern viel Spaß, weil sie uns viel zurückgeben und wir merken, dass sie das, was wir ihnen beibringen mit Begeisterung aufnehmen.


Midterm-Workshop im KKID
 
Und dann stand auch schon der 12. November vor der Tür, unser Abreisetag nach Coimbatore.
Sonntags kamen wir also im KKID an und freuten uns riesig, die andern Freiwilligen wiederzusehen. Von ihnen waren wir seit September getrennt. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass sich alle so viel zu sagen hatten und der Ankunftstag, an dem wir nur zusammensaßen und quatschten, wie im Flug verging.

 
Endlich wieder vereint!


Im Laufe dieses Tages und auch montags drudelten dann noch andere Weltwärs-Freiwillige ein, die von einer anderen Organisation als der KKS entsendet wurden. Auch mit ihnen kamen wir alle schnell ins Gespräch und es war sehr interessant zu hören, was sie während ihrer Zeit in Indien erlebt hatten.
Drei Mädels arbeiteten beispielsweise für eine NGO in Pune und konnten uns deshalb vom Leben in einer indischen Studentenstadt berichten, was sich einfach völlig von unseren Erfahrungen unterschied, da die meisten von uns in ländlichen Gebieten leben. Für sie war das Thema „dresscode“ bis jetzt noch gar nicht groß zur Sprache gekommen und deshalb waren sie anfangs etwas verwundert, warum wir alle in indischen Gewändern gekleidet waren.
Eine andere Gruppe berichtete uns dann von ihren Problemen mit der Polizei. In Indien muss man sich nämlich polizeilich registrieren lassen, bevor man einen Freiwilligeneinsatz absolvieren kann. Die Jungs und Mädels mussten sich über mehre Wochen hinweg mit diesem leidlichen Thema rumschlagen, was bei uns innerhalb eines Vormittags erledigt war.

Aber wir tauschten uns im KKID nicht nur sehr viel mit anderen Freiwilligen aus, sondern nahmen auch noch an dem Workshop teil, der von Renate Tietz von der KKS und Malathi, der Mentorin aller Mentoren, geleitet wurde. Inhaltlich befassten wir uns mit Unterrichtsmethoden, besprachen Probleme, die während unserer Zeit in Indien aufgetaucht sind, und thematisierten generell die Arbeitsweise einer NGO in Indien.
Um das zu verdeutlichen, fuhren wir alle in ein Tribaldorf, das Einsatzort eines Projektes des KKIDs ist. Dort sollten wir ohne Hilfe von Malathi versuchen uns mit den Dorfbewohnern zu verständigen, um zu sehen vor welchen ähnlichen Schwierigkeiten sie damals zum Beginn ihrer Projektarbeit standen.

Im Tribalvillage
Als Paradebeispiel für die krassen Gegensätze Indiens fuhren wir am nächsten Tag in eine am Westen orientierte Shoppingmall in Coimbatore. Dort konnte man neben Saris und traditionellen indischen Outfits auch kurze Hosen und Tops kaufen. Das ganze löste widersprüchliche Gefühle in uns aus. Einerseits waren wir froh, dass man die Möglichkeit hatte, westliche Güter wie Käse, richtiges Eis, Pizza oder eben auch Klamotten zu kaufen. Auf der anderen Seite verstörte es aber auch, dass alles so mit unseren indischen Elementen vermischt zu sehen, an die wir uns mittlerweile gewöhnt haben.

Westliche Shoppingmall


Interproject-Visit bei NMCT

Wie im Flug verging unsere schöne Zeit im KKID und dann hieß es auch freitags und samstags schon wieder Abschied nehmen.
Wir hatten allerdings das Glück, dass wir und noch nicht von allen verabschieden mussten, sondern direkt im Anschluss mit zu Mona und Lena in das Abhaya Student Shelter fahren konnten, ihrem Projektort.
Sie leben dort in einem Girls Hostel mit Mädchen im Alter zwischen sieben und sechzehn zusammen, deren Familien von AIDS betroffen sind. Durch das Leben im Abhaya bekommen die Mädchen die Chance einen geregelten Alltag zu haben, der nicht permanent von ihren tragischen Familienverhältnissen überschattet ist.

Wir fühlten uns Dank der ganzen strahlenden Gesichter der Mädchen und der „Sister“-Rufe von Anfang an sehr willkommen. Nur beim Vorstellen waren sie kurz verwirrt, bis sie verstanden hatten, dass in den nächsten Tagen „two Lena-Sisters“ mit ihnen zusammen wohnen würden.
Danach bewaffneten sich auch schon einige der Mädchen mit den Abhaya-Fahrrädern, denn Mona und Lena zeigten uns wo sie ihre Cycling Class geben. Wir liefen ein par Meter durch das Dorf, in dem das Abhaya liegt, und erreichten dann schließlich einen großen Platz, auf dem wir die Fahrkünste der Mädels bewundern konnten.

Auf dem Weg zur Cycling Class
Sonntags nahmen Lena und Mona uns mit nach Coimbatore zum Einkaufen. Zuerst ging es in einen westlichen Supermarkt, in dem wir endlich Nutella, Pesto und Nudeln kaufen konnten, worauf wir uns schon so lange gefreut hatten. Das alles gibt’s nämlich nicht in Parvathipuram und wir essen meist indisch. Das ist zwar sehr lecker, aber manchmal vermissen wir dann doch das Essen aus Deutschland. Noch glücklicher wurden wir dann als es weiter zu „Coffee Day“ ging, wo wir uns einen großen Kaffee, der endlich auch mal den westlichen Vorstellungen von Kaffee entspricht, und ein Stück Schokokuchen mit Vanilleeis gönnten. Wir waren auf Wolke sieben!
Gut gestärkt gingen wir dann noch Schmuck kaufen und erweiterten unsere Sammlung um ein par Bangels und Ohrringe. Um diesen tollen Tag abzurunden aßen wir dann noch eine Pizza bei Dominos und fühlten uns gar nicht mehr ganz so weit weg von daheim, voll und glücklich.
 
Posieren auf indisch: Arme verschränken und ja nicht lachen!
Tagsdrauf waren wir dann wieder ganz in Indien angekommen und machten zusammen mit Seetha einen Ausflug auf eine Kokosnussfarm, einer Außenstelle von NMCT. Dort schauten wir uns kurz das Gelände an, bis wir weiter in ein Tribalvillage fuhren. Die Fahrt dahin war aber ein wahres Abenteuer, denn wir saßen nicht IM Jeep, sondern AUF dem Dach des Jeeps. Auf unbefestigten Wegen ruckelte er also hin und her und wir saßen in einem kleinen von Metallstangen getrennten Bereich und versuchten nicht vom Dach zu fallen oder duckten uns vor in die Fahrbahn hängenden Ästen. Diese Fahrt war zwar das Gegenteil von bequem, aber wir hatten unglaublich viel Spaß.


Im Tribaldorf angekommen, besichtigten wir das Haus eines der Mädchen aus dem Abhaya. Bevor sie in das Hostel zog, hatte sie mit ihrer Familie in einer kleinen, dunklen Hütte gewohnt, in der es kaum genug Platz für alle Familienmitglieder zum Schlafen zu geben schien.
Die ärmlichen Lebensverhältnisse gehen einem noch näher, wenn man das Gesicht eines Mädchens, das man hat kennenlernen dürfen, damit verbindet.
Bevor es zurück zur Kokosnussfarm ging, schauten wir uns noch kurz die örtliche Schule an.
Auf der Kokosnussfarm halfen wir dann noch mit dreihundert Mangobäumchen von einen Lastwagen zu transportieren.
Nach getaner Arbeit wurden wir dann jeder mit einer frischen Tendercoconut belohnt, bevor wir uns wieder auf den Weg zurück ins Abhaya machten.

Mangobäumchen-Transportkette
Dienstags bekamen wir dann einen Einblick in ein ganz besonderes Projekt von NMCT, das sich mit der stark diskriminierten Minderheit der Transgender befasst. Transgender gelten in Indien als das dritte Geschlecht und werden von der Gesellschaft und meist auch ihren Familien ausgeschlossen. Viele von ihnen arbeiten als männliche Sexworker um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, deshalb sind sie auch eine besonders von HIV und AIDS betroffenen Gesellschaftsgruppe. Mit ihnen arbeitet NMCT als Teil ihres „TAI -  Tamil Nadu AIDS Initiatives" - Projektes.
Sie betreiben Aufklärung und versuchen den Transgendern andere Einkommensmöglichkeiten als die Prostitution zu bieten. Deshalb ermöglichen sie ihnen "Skill trainings Programes" um ihnen die Möglichkeit zu geben ihr Geld mit der Reperatur von Handys, als Schneider o.ä. zu verdienen.
Gleichzeitig wird das Bilden von Selbsthilfegruppen unterstützt, in denen Dinge gemeinsam angeschafft werden können und Geld gespart werden kann.
Außerdem engagiert NMCT sich auch in der medizinische Versorgung, in dem sie den Transgenders Kliniken zeigen, in denen sie behandelt werden und auch die Ausbildung für Krankenschwestern fördern, die Transgender behandeln. Aufgrund der starken Diskriminierung werden sie nämlich nur von wenigen Ärzten medizinisch versorgt.
Uns wurde beim  Einblick in die Projektarbeit von NMCT auch bewusst wie wichtig die Aufklärung der Öffentlichkeit und auch die Öffentlichkeitarbeit einer NGO im Allgemeinen ist. Gerade bei der Arbeit mit den Transgendern ist es nämlich sehr wichtig, dass die Öffentlichkeit über deren Aktivitäten aufgeklärt wird. So werden viele Zeitungsartikel über Transgender-Schönheits- und Tanzwettbewerbe veröffentlicht um auch eine positive Öffentlichkeit für diese Gesellschaftsgurppe zu schaffen.
Besonders schön war, dass wir die Möglichkeit bekamen einem Transgender Social Worker bei sich zu Hause zu besuchen. Die Begegnung mit ihr hat uns schwer beeindruckt. Anfangs waren wir etwas unsicher wie das Treffen mit ihr ablaufen würde, aber sie hat uns mit ihrer freundlichen, warmen und offenen Art sofort ein gutes Gefühl gegeben. Bei einer Tasse Chai und einigen Snacks erzählte sie uns von ihrer Arbeit und ihrem Leben. Sie engagiert sich nämlich nicht nur als Social Worker, sondern ist auch traditionellle Tänzerin. Von ihren Tanzkünsten haben wir auch eine kleine Kostrpobe zu sehen bekommen. Es war äußerst beeindruckend, wie grazil sie sich bei ihre enormen Körpergröße bewegen konnte und wie ausdrucksstark ihr Mienenspiel war, das bei den traditionellen Tänzen eine wichtige Rolle spielt.
Wir haben dort einen Nachmittag erlebt, den wir sicher nicht so schnell vergessen werden!



Nach diesem äußerst interessanten Einblick in das Transgenders Projekt von NMCT, schloss sich ein volles Abendprogramm an.
Malathi hatte uns eigeladen und danach waren wir auch noch mit dem Direktor von NMCT und seiner Frau zum Essen verabredet.
Als kleines Gastgeschenk brachten wir zu Malathi eine Packung Pudding mit, sodass sie diese deutsche Süßigkeit mal kosten konnte. Leider hatten wir nicht bedacht, wie viele Leute immer in so einem indischen Haus anwesend sind und so ergab es sich, dass wir eine Packung Pudding in elf Portionen aufteilen mussten.
Von Malathi und ihrer Familie bekamen wir super leckere Kekse serviert, die uns an Weihnachtsplätzchen erinnerten und auch die ganze familiäre Atmosphäre bei ihr zu Hause ließ erstmals in Indien Weihnachtsstimmung aufkommen.

Bei Malathi, mit einem Teil ihrer Familie!
Danach ging es mit der Riksha weiter zum Haus von Seetha und Shankar, wo Seetha ein leckeres Abendessen vorbereitet hatte. Wir saßen in einer gemütlichen Runde beisammen, unterhielten uns gut und hatten eine sehr schöne Zeit.

Ursprünglich war damit am nächsten Tag auch schon unser Aufenthalt bei NMCT beendet und unsere Zugtickets für zwölf Uhr gebucht. Es stellte sich allerdings zwei Stunden vor Abfahrt des Zuges heraus, dass wir immer noch auf der Warteliste für die Sitzplatzreservierung standen und so, wenn es schlecht laufen würde, für dreißig Stunden keine Liege oder Sitzplatz haben würden. Seetha hatte zwar alles versucht, aber es ließ sich nichts mehr machen.

Unter diesen Umständen konnten wir natürlich in den Zug steigen, sondern packten unsere Sachen wieder aus. In den nächsten zwei Tagen setzten Seetha und die anderen Mitarbeiter von NMCT alle Hebel in Bewegung und so saßen wir dann zwei Tage später doch noch im Zug Richtung Parvathipuram. Für diese Bemühungen und auch unsere Unterbringung für weiter zwei Tage sind wir sehr dankbar.
So verbrachten wir also noch zwei schöne Tage mit den Mädchen im Abhaya und bekamen noch mehr von dem Alltag im dem Girlshostel mit.

 
Gemeinsam bringen wir die Mädels morgens zur Schule

Wieder zu Hause ging es dann auf eine indische Hochzeit, aber davon beim nächsten Mal mehr!

An dieser Stelle möchten wir uns auch bei Shankar, Seetha, den anderen NMCT-Mitarbeitern und natürlich auch bei Mona und Lena für diese wunderbare Zeit bedanken. Wir haben uns sehr wohl gefühlt und auch einen guten Einblick in die Arbeit von NMCT bekommen können. Vielen Dank dafür!

Viele Grüße aus dem sonnigen und warem Indien!
Annik und Lena